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Forscher des Versuchszentrums Laimburg sind den Wuchsstörungen im Weinbau auf der Spur
Seit Mai treten in Südtirol Wuchsstörungen an den Blättern und an den Gescheinen der Weinreben auf. Die Forscher des Land- und Forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg haben nun einen konkreten Hinweis zur Erklärung des Phänomens gefunden. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen Dr. Peter Robatscher und Dr. Gerd Innerebner anlässlich des Weinbauseminars am 2. Dezember am Ritten vor.
Das Problem ist bekannt und wird heiß diskutiert: Seit Mai zeigten sich im Weinbau Wuchsstörungen an den Blättern und an den Gescheinen der Reben, infolge derer die Gescheine gar nicht oder nur teilweise aufblühten. In einzelnen Weinbergen in Südtirol waren darum Ausfälle im Ausmaß von bis zu 80 % zu beklagen. Laut Schätzungen sind in Südtirol 5–10 % der 5.000 ha Rebflächen betroffen. Die Wuchsstörungen sind jedoch nicht auf Südtirol beschränkt; sie treten auch in Süd-Italien, Österreich, Deutschland, Frankreich und der Schweiz auf.
Abbauprodukt des Fungizids LUNA® PRIVILEGE als möglicher Auslöser
Lange war die Ursache des Phänomens unklar. Forscherinnen und Forscher des Versuchszentrums Laimburg konnten nun jedoch nachweisen, dass die Wuchsstörungen durch das Abbauprodukt eines Pflanzenschutzmittels hervorgerufen werden können. Es handelt sich dabei um das Pflanzenschutzmittel LUNA® PRIVILEGE der Firma Bayer CropScience, das auf dem Wirkstoff Fluopyram basiert und im Weinbau gegen Botrytis eingesetzt wird. Im vergangenen Jahr wurde es in den Weinbergen in Südtirol beinahe flächendeckend angewandt.
Die Untersuchungen am Versuchszentrum Laimburg
Ausgehend von den Beobachtungen des Südtiroler Beratungsringes, dass überall dort, wo Wuchsstörungen auftraten, im Vorjahr das Fungizid LUNA® PRIVILEGE ausgebracht worden war, führten die Experten des Versuchszentrums Laimburg in enger Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Beratungsring aufwändige Feld- und Gewächshausversuche sowie Laboranalysen durch. Aus diesen Untersuchungen ergab sich ein handfester Hinweis, dass die Wuchsstörungen tatsächlich mit dem Pflanzenschutzmittel LUNA® PRIVILEGE in Verbindung stehen: Wird PCA (kurz für: 3-Chlor-5-trifluormethylpyridin-2-carbonsäure), ein Abbauprodukt des Wirkstoffs Fluopyram, in reiner Form auf Reben ausgebracht – wie das Laimburger Forscherteam es an Reben im freien Feld und an Versuchsreben im Gewächshaus durchführte – zeigen sich an diesen Pflanzen dieselben Wuchsstörungen, wie sie in kommerziellen Weinbergen auftreten.
Erste Zwischenergebnisse
Seit Mai 2012 ist das Fungizid LUNA® PRIVILEGE in Italien zugelassen. Bislang waren jedoch weder bei Versuchen noch bei der Anwendung in der Praxis Probleme beobachtet worden.Am Versuchszentrum Laimburg war das Fungizid zwischen 2010 und 2014 im Rahmen der Mittelprüfung getestet worden, aber nie waren in der Folge Wuchsstörungen aufgefallen. Dafür haben die Experten der Laimburg eine erste Hypothese: Zwar ist davon auszugehen, dass das Abbauprodukt PCA des Wirkstoffs Fluopyram der Auslöser für die Wuchsstörungen ist; doch die Symptome scheinen nur dann aufzutreten, wenn auch bestimmte andere Faktoren, die mit der Menge des Wirkstoffs, dem Zeitpunkt des Auftretens von dessen Abbauprodukt und den klimatischen Bedingungen zusammenhängen, vorliegen.
Zum einen stellten die Forscher fest, dass die Symptome umso stärker sind, je höher die Konzentration des Abbauprodukts des ausgebrachten Fungizids ist.
Zum zweiten scheint der Zeitpunkt des Auftretens des Abbauprodukts PCA eine entscheidende Rolle zu spielen: Es scheint ein Stadium des vegetativen Wachstums zu geben, in dem die Pflanze besonders empfindlich gegenüber dem Abbauprodukt PCA ist. Das haben Tests gezeigt, in denen die Reben im Juli und im August mit dem Abbauprodukt des Fungizids behandelt worden waren. Nur infolge der Juli-Behandlung zeigten sich Symptome, nicht aber infolge der August-Behandlung. Das Forscherteam der Laimburg vermutet den Grund darin, dass die Pflanze im Monat Juli einem stärkeren vegetativen Wachstum unterliegt.
Dritter Faktor sind die klimatischen Bedingungen: Tiefe Temperaturen, Niederschlagsreichtum sowie lang anhaltende Feuchtigkeit im Jahr 2014 können Faktoren gewesen sein, die die Wuchsstörungen begünstigten. Damit ließe sich erklären, warum die Symptome als Folge des niederschlagreichen Jahr 2014 auftraten, nicht aber in den trockeneren Vorjahren. Die Korrelationen zwischen dem Auftreten der Wuchsstörungen und den klimatischen Bedingungen müssen jedoch künftig noch genauer untersucht werden.
Stellungnahme der Firma Bayer CropScience beim Weinbauseminar am 02.12.2015 in Ritten erwartet
Die Firma Bayer CropScience hat die Untersuchungsergebnisse des Versuchszentrums Laimburg zur Kenntnis genommen und anerkannt. Anlässlich des Weinbau-Seminars am 2. Dezember 2015 werden Vertreter der Firma eine Stellungnahme dazu abgeben.
Die Chronologie der Ereignisse
Das Fungizid LUNA® PRIVILEGE darf in Italien seit Mai 2012 im Weinbau (auf Tafeltrauben und Keltertrauben) gegen Botrytis eingesetzt werden.
Im April 2015 traten erstmals Wuchsstörungen an Weinreben in Südtirol auf; zur selben Zeit auch in Süd-Italien. Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Am 19. Juni 2015 gab die Firma Bayer CropScience in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine offizielle Erklärung heraus, in der sie empfahl, das Pflanzenschutzmittel aus Vorsorgegründen im Weinbau nicht mehr einzusetzen; für Italien wurde diese Empfehlung nicht ausgesprochen.
Der Südtiroler Beratungsring für Obst- und Weinbau versandte am 18.06.2015 ein Rundschreiben, in der er die Wuchsstörungen beschrieb und darauf hinwies, dass das Phänomen mit dem Fungizid LUNA® PRIVILEGE der Firma Bayer in Verbindung stehen könnte. Aufgrund des vermuteten Zusammenhangs zwischen dem Einsatz des Pflanzenschutzmittels und dem Auftreten der Wuchsstörungen riet der Beratungsring vom Einsatz des Mittels ab.
Parallel dazu begann das Versuchszentrum Laimburg in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Beratungsring als eines der wenigen Institute in Europa damit, diese Wuchsstörungen in Feld- und Gewächshausversuchen zu untersuchen.
Das Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg
Das Land- und Forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg versteht sich als führende Forschungsinstitution für die Landwirtschaft in Südtirol. Das Versuchszentrum Laimburg betreibt vor allem angewandte Forschung mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler Landwirtschaft zu steigern. Insgesamt 180 Mitarbeiter arbeiten jährlich an rund 400 Forschungs- und Versuchsprojekten aus allen Bereichen der Südtiroler Landwirtschaft, von Obst- und Weinbau bis hin zur Berglandwirtschaft. Das Versuchszentrum Laimburg wurde 1975 gegründet.