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Grüne Gentechnik: Reden wir darüber! Potenzial, Chancen und Risiken für eine nachhaltige Landwirtschaft

Kreuzung, Mutagenese, klassische Gentechnik und Genome Editing: Pflanzenzucht ohne Veränderungen im Genom gibt es nicht. Seit Tausenden von Jahren verändert der Mensch bewusst oder unbewusst das Erbgut von Pflanzen, um die für ihn vorteilhaftesten Pflanzen weiter zu züchten. Selten gibt es ein Thema, bei welchem die Meinung der Fachleute und jene der allgemeinen Bevölkerung so weit auseinandergeht, wie bei dem Thema „Grüne Gentechnik“. Das Versuchszentrum Laimburg und die Freie Universität Bozen laden zu einem Austausch zum Thema mit Experten der beiden Institutionen, sowie aus dem Ausland, ein. Während der Veranstaltung ist es den Teilnehmenden möglich anonym über WhatsApp Fragen zu stellen. Die Informationsveranstaltung findet am Montag, den 14. November 2022, um 17 Uhr, im NOI Techpark (Seminarräume) statt.

Abb. 1 Genome Editing erlaubt es die Erbinformationen mit Präzision zu verändern. ©Shutterstock

Selten gibt es ein Thema, bei welchem die Meinung der Fachleute und jene der allgemeinen Bevölkerung so weit auseinandergeht, wie bei dem Thema „Grüne Gentechnik“. Schon bei der Bezeichnung herrscht Unklarheit. „Grüne Gentechnik“ steht nicht für bio oder ökologisch, sondern für den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft.

Laut Schätzung der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung noch etwa bis zum Jahr 2100 ansteigen. Dann werden wir nicht acht, sondern elf Milliarden Menschen ernähren müssen, und die Devise lautet: weniger Lebensmittel verschwenden und mehr produzieren. Da die Agrarflächen aber nicht wesentlich ausgeweitet werden können, muss die zusätzliche Produktion hauptsächlich auf den bereits bestehenden Agrarflächen stattfinden. Mehr produzieren, aber trotzdem nachhaltiger, vor dieser Mammutaufgabe steht nun die Landwirtschaft.
Nachhaltiger und dadurch zukunftsfähig kann die Landwirtschaft werden, wenn wir sie flächeneffizienter und somit klimafreundlicher machen. Züchter arbeiten schon längst an neuen Sorten, die hitze- bzw. trockenresistent oder ertragreicher sind. Die Methoden dazu haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und ermöglichen nun einen viel schnelleren und gezielteren Züchtungsprozess.

Kreuzung, Mutagenese, klassische Gentechnik und Genome Editing: ein Rückblick auf die Entwicklung der Züchtungsmethoden

Schon kurz nach der Entstehung der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit wurde den Menschen bewusst, dass sie durch Kreuzung verschiedener Pflanzen, die unterschiedliche Merkmale trugen, bessere Erträge erzielen konnten. Sie begannen bereits damals mit der Pflanzenzüchtung, indem sie Pflanzen kreuzten und selektionierten, die aufgrund spontan aufgetretener Mutationen vorteilhafte Merkmale aufwiesen. Dadurch entstanden neue Pflanzen mit besonderen Eigenschaften, wie zum Beispiel höhere Produktivität, Resistenz auf Krankheitserreger, größere Früchte oder Körner, die leichter zu verarbeiten waren.
In den 1930er Jahren wurde die Mutagenese-Züchtung entwickelt, eine Technik, bei der man Pflanzensamen Chemikalien oder radioaktiven Strahlen aussetzte, um zufällige Mutationen hervorzurufen. Fast alle Gerstensorten, die heute angebaut werden, gehen auf Mutagenese-Züchtung zurück. Der Nachteil dieser Technik ist, dass nicht nur Mutationen für gewünschte Merkmale erzeugt werden, sondern auch viele weitere unerwünschte Mutationen, deren Effekt man nicht kennt und die mühsam ausgekreuzt werden müssen. Diese Pflanzen gelten gemäß lautender Gesetzgebung nicht als gentechnisch verändert und werden sowohl in der biologischen als auch in der konventionellen Landwirtschaft häufig angebaut.
Ende der 1970er Jahre wurde dann die klassische Gentechnik entwickelt, bei welcher man ausgewählte Gene aus unterschiedlichsten Organismen in Pflanzen überträgt, um diesen Pflanzen gewünschte Eigenschaften zu vermitteln, wie etwa Resistenz gegen Krankheiten oder gegen Trockenheit. Zahlreiche Studien zeigen, dass dadurch deutlich weniger Pestizide eingesetzt werden müssen, bei gleichzeitig höheren Erträgen. Doch die klassische Gentechnik konnte nicht steuern, an welcher Stelle des Pflanzengenoms das neue Gen eingebaut wurde. Das änderte sich, als vor zehn Jahren die „Gen-Schere“ CRISPR/Cas9 entdeckt wurde. Dieses in zahlreichen Bakterien natürlich vorkommende System kann nun dazu eingesetzt werden, die Erbinformationen punktgenau zu verändern, wofür die Entdeckerinnen im Jahr 2020 den Nobelpreis erhielten.

Potenzial nutzen und Risiken ernst nehmen

Pflanzenzucht ohne Veränderungen im Genom gibt es nicht. Seit Tausenden von Jahren verändert der Mensch bewusst oder unbewusst das Erbgut von Pflanzen, um die für ihn vorteilhaftesten Pflanzen weiter zu züchten. Gesetzlich ist in der EU ohne spezielle Genehmigungsverfahren derzeit nur die herkömmliche Züchtung durch Kreuzung und die zuvor erwähnte Mutagenese zugelassen. Während auf diese Weise entwickelte Sorten bedenkenlos angebaut werden können, benötigt es für die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen zahlreiche Studien, vom Labor bis zum Feld, die gemäß Vorsorgeprinzip nachweisen, dass keine nachteiligen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt zu erwarten sind. Häufig geäußerte Sorgen bezüglich der klassischen Gentechnik betreffen zum Beispiel unerwartete Veränderungen im Pflanzenstoffwechsel, das Übertragen von Eigenschaften der gentechnisch veränderten Pflanzen auf Wild- und Kulturpflanzen oder ein Verlust von Sorten. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips darf aber nicht an spekulative Risiken anknüpfen, sondern sollte faktenbasiert geschehen. Ziel sollte es sein, das vorhandene Potenzial der neuen Züchtungsmethoden zu nutzen, aber die damit verbundenen Risiken ernst zu nehmen. Daher plädieren Forscher aller führenden europäischen Forschungsinstitutionen dafür, das europäische Gentechnikgesetz zu überarbeiten, um die Nutzung moderner Genom-Editierungen in der Europäischen Union neu zu reglementieren. Der Anbau von resistenteren und fitteren Pflanzen kann in Zukunft Pflanzenschutzmaßnahmen reduzieren, Ertragsausfälle minimieren und somit zu einer nachhaltigeren und ertragreicheren Produktion von Lebensmitteln beitragen.

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