Der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel und Objektschutz

 

Über den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in einer Anlage darf nicht ohne Überwachung des Auftretens von Halyomorpha halys entschieden werden. Der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist nur bei aktivem Befall in der Anlage gerechtfertigt, da nur in diesem Fall eine gute Wirksamkeit der Behandlung zu erwarten ist.
Eine gezielte Behandlung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln bei Präsenz der Adulten oder bei sporadischem Befall ist nicht immer sinnvoll. Die verfügbaren Mittel wirken nur kurze Zeit. Eine Neubesiedelung durch H. halys nach Abbau des Wirkstoffes ist möglich. Anlagen die unter bestimmten Umständen ständig wiederholt von außen, z.B. ausgehend von Wildwirten, beflogen werden, und an denen es in Folge zu einer Häufung der Fruchtschäden über die Zeit kommen kann, sind durch Behandlungen schwer zu “schützen”.
Die aktuell verfügbaren Präparate wirken hauptsächlich auf die jungen Entwicklungsstadien (Nymphen) und nur in geringer Wiese auf die Adulttiere. Daher erzielt der Einsatz von Pflanzenschutzmittel bei einem aktiven Befall, d.h. bei einer Vermehrung von H. halys in der Anlage, die höchste Wirksamkeit.

 

Fragen:

1. Wie stellt man die Präsenz oder einen aktiven Befall von H. halys in der Obstanlage fest? 
2. Soll die gesamte Anlage behandelt werden, falls man H. halys nur an einzelnen Bäumen feststellt?
3. Wann sind chemische Behandlungen angesagt und sinnvoll? Wie wirken die aktuell verfügbaren Mittel auf H. halys?
4. Kann ein Objektschutz mittels Hagelnetz (über Einnentzung der Anlage) helfen, mögliche Schäden abzuwenden?

1. Wie stellt man die Präsenz oder einen aktiven Befall von H. halys in der Obstanlage fest?

Eine Präsenz oder ein Aktiv-Befall durch H. halys wird am besten durch regelmäßige Kontrollen in der Anlage festgestellt. Adulttiere können aus angrenzenden Arealen mit bereits befallenen Wirtspflanzen, wie z.B. Hecken, Gemüsegärten oder öffentliches Grün, in die Apfelanlagen einfliegen und Früchte anstechen. Adulte sind sehr mobil und können von den Anlagen auch wieder in diese Areale zurückkehren. Im Zuge von Routinearbeiten mit Hebebühnen, wie z.B. bei Arbeiten am Hagelnetz, oder aber auch während der Handausdünnung, können visuelle Kontrollen im Gipfelbereich durchgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit bietet die sogenannte Klopfmethode:  Dabei werden eine bestimmte Anzahl an Ästen, möglichst in den frühen Morgenstunden, abgeklopft und die Wanzen mit einem Klopfschirm aufgefangen. Findet man bei den Kontrollen auch Jungstadien der Marmorierten Baumwanze, kann der Schaden nicht nur durch die einfliegenden Adulten, sondern auch durch die sich in der Anlage entwickelnden Nymphen entstehen . In diesem Fall handelt es sich um einen Aktiv-Befall. Ein entstandener Schaden an den Früchten wird jedoch erst nachträglich erkannt. Er ist auch nicht immer von außen sofort erkennbar. Die Früchte müssen entnommen und angeschnitten werden um die Verbräunung darunter erkennen zu können. Zudem gibt es Möglichkeiten der Verwechslung mit anderen Schäden (wie z.B. Stippe), und auch heimische Wanzen können dasselbe Schadbild verursachen .
Um den Verlauf Populationsentwicklung zu beobachten und abbilden zu können, müssen im großflächig angelegten Monitoringprogramm, welches seit 2016 in Südtirol durchgeführt wird, mehrere Methoden miteinander kombiniert werden: Einsatz von Lockstofffallen, visuelle Kontrollen und Klopfproben. In Verbindung mit weiteren gezielten Untersuchungen zur Biologie wie z.B. phänologische Studien (siehe Artikel Obstbau*Weinbau) oder Identifizierung und Besiedelung von Wirtspflanzen, können die Daten Anhaltspunkte liefern, wann die Kontrollen in den eigenen Anlagen gezielt durchgeführt werden sollen.

 

2. Soll die gesamte Anlage behandelt werden, falls man H. halys nur an einzelnen Bäumen feststellt?
Bevor eine Entscheidung zur Durchführung einer gezielten Behandlung gegen die Marmorierte Baumwanze getroffen werden kann, soll in der gesamten Anlage kontrolliert werden, ob ein aktiver Befall (Nymphen) vorliegt. Zunächst sollte ermittelt werden in welchem Bereich der Anlage das höchste Risiko eines Einfluges besteht. Dabei sollten vor allem Apfelbäume visuell und/oder durch Klopfproben kontrollieret werden, die in der Nähe zu anderen Wirtspflanzen stehen. Bei geringen Dichten ist bei diesen Bäumen die Wahrscheinlichkeit einer Sichtung am größten. Ausgehend von diesen „Risikobereichen“, sollten zusätzlich weitere Kontrollen zufällig in der ganzen Anlage durchgeführt werden. Falls die Sichtungen von Jungtieren nicht nur im Risikobereich sondern auch in der Anlagenmitte stattfinden, ist ein aktiver Befall auf der gesamten Fläche im Gange und eine chemische Behandlung in der ganzen Anlage gerechtfertigt. Findet man Jungtiere nur in der Risikozone, angrenzend zu anderen Wirtspflanzen, kann man bei größeren Anlagen andenken, nur die betreffende Risikozone zu behandeln, zum Beispiel die ersten zwei Reihen. Derzeit wird am Versuchszentrum Laimburg (in einer ‘Granny Smith’- Versuchsanlage) untersucht, ob die Ermittlung von Eingreifschwellen für das Timing der Behandlungen ein möglicher Ansatz in der Bekämpfung von H. halys ist. 

 

3. Wann sind chemische Behandlungen angesagt und sinnvoll? Wie wirken die aktuell verfügbaren Mittel auf H. halys?
Wenn Eigelege oder Nymphen, bei gleichzeitigem Vorhandensein von Früchten, in der gesamten Anlage anzutreffen sind, ist eine chemische Behandlung der ganzen Anlage angemessen. Auf einen bereits bestehenden Fruchtschaden nachzubehandeln ist sinnlos, wenn keine Individuen der Marmorierten Baumwanze in der Anlage beobachtet werden.
Falls nur Adulte gesichtet werden, ist die Wirksamkeit einer Behandlung abzuwägen, weitere Beobachtungen sind notwendig. Die verfügbaren Mittel wirken für eine begrenzte Zeit gut auf Nymphen, weniger gut auf Adulte- vorausgesetzt, dass sie diese Stadien auch direkt treffen (direkter Kontakt) - und nicht auf Eigelege.  Von den meisten im Programm zugelassenen Produkten, ist nur eine unmittelbare, aber keine Dauerwirkung zu erwarten; sie helfen kaum einen wiederholten sporadischen Befall, der von Wildpflanzen ausgeht auf Dauer zu verhindern. Die für eine chemische Bekämpfung zur Verfügung stehenden Präparate, zeigten in Laborversuchen und in Freilanduntersuchungen aus anderen Regionen (Friaul, Piemont und Emilia Romagna), nur eine „Kontaktwirkung“ und keine bzw. nur sehr geringe residuale Wirkung. Dies bedeutet, dass die Wanze direkt von der Spritzbrühe getroffen werden muss, um getötet zu werden. Falls es sich in der Apfelanlage um Adulte handelt, die ausgehend von anderen Wirtspflanzen in der Nähe der Anlageeinfliegen und dann wieder wegfliegen, ist die Wirksamkeit einer chemischen Behandlung nur sehr gering zu bewerten. Jungtiere können hingegen nicht wegfliegen und sind zudem auch noch empfindlicher gegenüber den chemischen Wirkstoffen.
Herbstbehandlungen mit chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Nachernte haben keine Wirkung in Hinblick auf eine Dichtereduzierung im kommenden Jahr. H. halys ist auf jedem Fall im Frühling nach der Auswinterung reduziert, da die Wintermortalität eine große Rolle spielt. Dies ist bereits durch aktuelle Versuche belegt.

 

4. Kann ein Objektschutz mittels Hagelnetz (über Einnentzung der Anlage) helfen, mögliche Schäden abzuwenden?
Der Einsatz von Schutznetzen ist empfehlenswert, es muss jedoch bis zum Boden reichen. Auch die Kopfreihen müssen mit Netz seitlich abgeschlossen werden. In diesem Fall kann man das Einfliegen von Adulten verhindern. Bei hohem Populationsdruck wie z. B. im Friaul) können die Adulte durch jede Öffnung eindringen, d.h. die Netze müssen ordentlich geschlossen und gewartet werden. Die chemischen Behandlungen unter eingeschlossenem „Käfignetz“ sind wirksamer, da die ausgewachsenen Tiere nicht wegfliegen und “neue” nur bedingt einfliegen können. In Risikobereichen, z.B. Anlagen angrenzend zu Wildwirtspflanzen sollte jedoch ein dichteres Insektenschutznetz seitlich angebracht werden, um auch das Eindringen von Jungtieren zu unterbinden, welche durch die Maschenweite des Hagelschutznetz nicht aufgehalten werden.