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Vielfältiger Ackerbau in Südtirol: Verschiedene Möglichkeiten für die Berglandwirtschaft, von alten Getreidesorten bis hin zu eiweißreichen Hülsenfrüchten

Ackerkulturen spielten in Südtirol ursprünglich eine wichtige Rolle, haben aber in den letzten 100 Jahren deutlich an Anbaufläche verloren. In Südtirol ist vor allem Roggen von Bedeutung, ein robustes Brotgetreide, das sich auch in Bergregionen kultivieren lässt. Am Mittwoch, 13.07.2022, hat das Versuchszentrum Laimburg Interessierte zur Versuchsbegehung nach Dietenheim geladen. Im Mittelpunkt des Feldtages standen Sortenprüfungen von Winter- und Sommerroggen, die Vermehrung alter Arten wie Binkelweizen sowie verschiedene eiweißreiche Hülsenfrüchte. Eine Besonderheit am Standort Dietenheim stellt in diesem Jahr das „Field 100“ dar: Ein Feld mit 100 Parzellen, die mit 100 verschiedenen glutenfreien Sorten bepflanzt sind.

Abb. 1: Der Anbau von Getreide hat in Südtirol eine lange Tradition. Heute ist Roggen die am meisten angebaute Getreideart in Südtirol. © Versuchszentrum Laimburg

Der Anbau von Getreide ist in Südtirol heute nicht mehr so stark verbreitet wie vor einem guten Jahrhundert als die Anbaufläche rund 30.000 Hektar betrug. Damals verfügte fast jeder landwirtschaftliche Betrieb über einen eigenen Getreideacker. Das geerntete und gemahlene Getreide diente dazu, den täglichen Bedarf an Brot und Mehlspeisen der am Hof lebenden und arbeitenden Menschen zu decken. Dank Initiativen wie den „Regiokorn“-Projekten konnte die Anbaufläche in den letzten Jahren jedoch wieder gesteigert werden. Heute wird in Südtirol auf etwa 400 Hektar Getreide angebaut. Die Hauptanbaugebiete sind das Pustertal und der Vinschgau, der ursprünglich als Kornkammer Tirols bekannt war. Bei einer Versuchsbegehung in Dietenheim vergangenen Mittwoch, 13.07.2022, präsentierten die Forscherinnen und Forscher der Arbeitsgruppe „Acker- und Kräuteranbau“ des Versuchszentrums Laimburg die neuesten Ergebnisse im Bereich Ackerbau.
„Die Südtiroler Gegebenheiten eignen sich sehr gut für den Getreideanbau. Vor allem die Trockenheit im Zeitraum der Ernte bekommt dem Getreide, denn die Körner können dann gut an den Ähren abreifen“, erklärte Manuel Pramsohler, Leiter der Arbeitsgruppe „Acker- und Kräuteranbau“. Der Fokus der Forschungstätigkeiten der Arbeitsgruppe liegt auf der Prüfung und Auswahl geeigneter Arten und Sorten. So ist etwa auch beim Roggen, der am häufigsten angebauten Getreideart in Südtirol, die Wahl von geeigneten Sorten bestimmend für eine gute Ernte. „Hülsenfrüchte wie Ackerbohne oder Körnererbse findet man heute nur mehr in wenigen Gärten und Äckern, doch beinhalten sie großes Potential. Umso wichtiger ist die Untersuchung der Anbaueignung unterschiedlicher Arten und Sorten in Südtirol“, ergänzte Pramsohler.
Während des Feldtages wurden auch das Projekt „BiDifferent“ zur Wiederbelebung der alten lokalen Weizensorte Binkel und das Projekt „Field 100“, ein Feld mit 100 verschiedenen glutenfreien Kultursorten, das zum 100-jährigen Jubiläum von Dr. Schär angelegt wurde, vorgestellt.

Getreide am Berg: Winter- und Sommerroggen

Das in Südtirol am häufigsten angebaute Getreide ist Roggen. Er ist als Brotgetreide sehr beliebt und wird z.B. für die traditionellen Südtiroler „Vinschgerlen“ und die „Pusterer Breatln“ benötigt. Vor allem wird in Südtirol Winterroggen angebaut, Sommerrogen hingegen nur zu einem kleineren Teil. Als robustes und widerstandsfähiges Getreide kann Winterroggen auch in Bergregionen und Höhenlagen kultiviert werden. Doch der Roggenanbau ist nicht völlig problemlos, denn er verträgt keine Feuchtigkeit während der Abreife. Wird das reifende Korn zu nass, kann es zum „Auswuchs“ kommen: Das Korn beginnt zu keimen und Enzyme bauen die Stärke ab. Aus dem gekeimten Roggen können keine Brotteige mehr angefertigt werden, da der Roggen seine Backfähigkeit verliert.
Um Roggen bestmöglich anzubauen, forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Acker- und Kräuteranbau“ an mehreren Aspekten. Versuche mit unterschiedlichen Saatdichten geben Auskunft darüber, welche Saatdichte zum höchsten Ertrag und den besten Qualitätseigenschaften führen. Im Rahmen der Sortenprüfungen von Winterroggen und Sommerroggen erheben die Forscherinnen und Forscher agronomische Eigenschaften sowie Ertrags- und Qualitätsparameter verschiedener Sorten.

Binkelweizen: Wiederentdeckung einer alten Getreideart im Alpenraum

Am Versuchszentrum Laimburg gibt es seit den 1990er Jahren eine Sammlung von Landsorten aus Südtirol. Landsorten sind traditionelle Sorten, die sich im Laufe von Jahrhunderten an die Anbaubedingungen ihrer Herkunftsregion angepasst haben und ein lebendiges Natur- und Kulturerbe darstellen. Aufgabe der Forscherinnen und Forscher ist es, diese alten Sorten zu sammeln, zu erhalten und zu beschreiben. Seit Beginn der Sammeltätigkeiten konnten in Südtirol insgesamt 261 Getreidelandsorten von acht Getreidearten bewahrt werden. Ein Beispiel für eine alte Getreideart, die in Genbanken erhalten wurde, ist Binkelweizen, eine alte Weizenform, die in den Alpen ursprünglich weit verbreitet war. Binkelweizen gilt als sehr widerstandsfähig und geeignet für alpine Bedingungen. Daher analysieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Versuchszentrums Laimburg im länderübergreifenden Gemeinschaftsprojekt „BiDifferent“ den Binkelweizen ganz genau: Zehn Landsorten werden auf ihre Anbaueignung untersucht, agronomisch und molekularbiologisch beschrieben sowie ihre Inhaltsstoffe und Qualitätsmerkmale betrachtet. Ziel ist es, Binkel zu rekultivieren und zu einem modernen Produkt zu machen.

Eiweißreiche Hülsenfrüchte in Südtirol

Hülsenfrüchte wirken sich positiv auf die Bodenstruktur und den Humusaufbau aus. Dank einer Symbiose mit Knöllchenbakterien in den Wurzeln können sie zudem Stickstoff aus der Luft binden und im Boden fixieren. Außerdem sind sie aufgrund ihres hohen Proteingehalts eine wichtige Eiweißquelle. Heute erfreuen sich Hülsenfrüchte immer größerer Beliebtheit. Für landwirtschaftliche Betriebe bieten sie zusätzlich die Möglichkeit der lokalen Wertschöpfung und Diversifizierung.
Am Versuchszentrum Laimburg werden Ackerbohne, Körnererbse, Lupine und Sojabohne wissenschaftlich untersucht. Dabei überprüft das Forscherteam der Arbeitsgruppe „Acker- und Kräuteranbau” die agronomischen Eigenschaften aktuell verbreiteter Sorten sowie ihren Einfluss auf den Stickstoff-Gehalt im Boden. Die Ergebnisse aus den Feldversuchen bilden die Grundlage für weitere Möglichkeiten der Vermarktung von Hülsenfrüchten. Denn Manuel Pramsohler ist überzeugt: „Für Hülsenfrüchte gibt es in Südtirol noch großes Potential. Sie liegen voll im Trend und fügen sich gut in die Südtiroler Gegebenheiten ein. Hülsenfrüchte haben im Vergleich zum Getreideanbau allerdings den Nachteil, dass sie anspruchsvoller sind. Vor allem die Unkrautbekämpfung ist aufwendiger und muss maschinell mittels Hacken oder Striegeln durchgeführt werden.“

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